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› Vielleicht werden wir dafür zahlen, arbeiten zu dürfen ‹

Der Ex-Chef der ›Erste Group‹, Andreas Treichl, leitet ab sofort als Präsident das Forum Alpbach. Im Antrittsgespräch mit DATUM erklärt er, warum die EU für ihn nicht einmal mehr eine Wirtschaftsunion ist, wie er die Kurz-ÖVP sieht und warum er eine Debatte über ein Grundeinkommen für überfällig hält.

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Fotografie:
Ela Angerer
DATUM Ausgabe Dezember 2020

Herr Treichl, wann waren Sie das erste Mal beim Forum Alpbach ?

Andreas Treichl : 1971, als 19-jäh­ri­ger Student.

Was war das damals für Sie : eine verlängerte Sommerfrische, eine Kontaktbörse oder ein Seminar in schöner Umgebung ?

Ein intellektuelles Sommercamp und ein bissel auch so etwas wie eine Kontaktbörse.

Erinnern Sie sich noch an das damalige Generalthema ?

Ja, sehr gut. Thema war die Europä­i­sche Union und was das werden soll. Man hat von vielen Sachen geträumt, die dann alle viel schneller passiert sind, als man es damals geglaubt hat. In Alpbach hat es schon in den frühen Jahren Konflikte zwischen Praktikern und Wissenschaftlern gegeben.

Daraus sind aber sehr spannende Diskussionen erwachsen. Damals haben die Leute aber auch viel mehr Zeit gehabt als jetzt. Zwei Wochen nach Alpbach zu fahren war kein Problem. Das war auch eine Zeit, als sehr viele Wissenschaftler von Weltrang aus Österreich gekommen sind und sich auch die Zeit für Alpbach genommen haben. Das war schon sehr aufregend, den Karl Popper und den Friedrich August Hayek zu sehen und zu hören.

Was war in den 1970er-Jahren der Traum, Ihr Traum von Europa ?

Europa war damals in zwei Blöcke, Ost und West, geteilt. Niemand hätte sich gedacht, dass die Europäische Uni­on einmal 28 Mitglieder haben wird. Dass es tatsächlich einmal zu einem gemeinsamen Markt kommen würde. Niemand hätte sich träumen lassen, dass 1989 der Eiserne Vorhang fällt. Niemand hätte sich träumen lassen, dass Europa industriell für einige Jahrzehnte zu einem führenden Kontinent wird. Und niemand hätte sich vorstellen können, dass Europa eine starke politische Position erhält, ohne eine Militärmacht zu sein. Das Tolle daran : In den 30 Jahren danach ist eigentlich alles in Erfüllung gegangen. Europa hat es gleichzeitig geschafft, wirtschaftlich und politisch an Bedeutung zu gewinnen und die sozial ausgeglichenste Gesellschaft zu werden, die es auf diesem Planeten gibt. Das war schon eine große Leistung.

Für viele ist Europa heute eher ein Albtraum, was ist da schiefgegangen ?

Wir müssen nüchtern festhalten, dass es seit mindestens zehn Jahren in die andere Richtung geht. Europa nimmt in seiner wirtschaftlichen und auch in seiner politischen Bedeutung ab. Damit schwindet auch die Strahlkraft dessen, was landläufig Soziale Marktwirtschaft genannt wird – obwohl ich dieses Wort nicht sehr gerne habe.

Was genau stört Sie daran ?

Ich halte die Vermischung einer wirtschaftlichen und einer gesellschafts­politischen Ansage für nicht ganz richtig. Marktwirtschaft ist Marktwirtschaft, und sozial ist sozial.

Beides zusammen ist für Sie so etwas wie ein fauler Kompromiss ?

Nein, es ist beides richtig, aber man sollte es besser getrennt sehen und ­diskutieren. Wir sollten uns als Ge­sellschaft eine gute Sozialpolitik und gleichzeitig
eine gute Wirtschaftspolitik aufbauen.

Marktwirtschaft soll so frei wie möglich sein und kann nicht sozial gestaltet werden. Und sozial heißt nicht, dass wir die Marktwirtschaft staatlich regulieren. Es ist Ergebnis von Sozialpolitik, dass es zu einer sozial ausgeglicheneren Gesellschaft kommt.

Sie gelten landläufig als Liberaler, wo verorten Sie sich selber politisch ?

Ich bin sicherlich kein Ordoliberaler, aber mit dem Begriff liberal wohl am Besten politisch zu fassen. Ich teile wirtschaftlich fast alles mit den Liberalen, gesellschaftspolitisch teile ich nicht alles. Ich schätze die Gedankenwelt eines Karl Popper, eines Friedrich Hayek und die des Adam Smith, die sehr für eine ausgeglichene Gesellschaft plädiert haben. Gleiche Chancen für alle.

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